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Aktivitäten von Dietmar Kirves suchen

NO!-ON SHOW
KURATOR & REALISATOR DIETMAR KIRVES
Galerie Berliner Kunstprojekt | Gneisenaustrasse 33 | Berlin
7. - 29.11.2003
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NO!-ON SHOW | Einladungskarte
Einladungskarte

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STATEMENT:

Die finsteren Zeiten sind wieder da! ...Die weltweite soziale und ökonomische Krise von heute bringt die fundamentalen Fragen wieder zurück auf die Tagesordnung. Gauguin hatte sie formuliert und der Scheiß-Kunstboom ... hatte versucht, sie auszuradieren:

WOHER KOMMEN WIR? WOHIN GEHEN WIR? WO SIND WIR?

Diese fundamentalen Fragen hat schon Gauguin als Thema in der Kunst formuliert. Aber jene Künstler, Kunsthändler und/oder Spekulanten auf dem Kunstmarkt, die das vergessen und den kommerziellen Erfolg, gewinnorientierte Kulturpolitik und arroganten Glimmer ausschliesslich an die erste Stelle rücken, handeln verlogen und verantwortungslos. Wollen wir Objekte oder Subjekte der Geschichte sein? Jean-Jacques Lebel, 1995

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TEILNEHMENDE KÜNSTLER:

Boris Lurie, New York Dietmar Kirves, Berlin (Kurator) Jean-Jacques Lebel, Paris Clayton Patterson, New York Aldo Tambellini, Cambridge   Seth Tobocman, New York Amikam Goldman, New York Frank-Kirk Ehm-Marks, Berlin Blalla W. Hallmann, Windsbach Harry Hass, Berlin hansk, Berlin Enzo, Berlin LST, Berlin Stu Mead, Berlin Peter Meseck, Berlin Naomi T. Salmon, Weimar Reinhard Scheibner, Berlin Bruno Schleinstein, Berlin Klaus Theuerkauf, Berlin Friedrich Wall, Freienbrink Mathilda Wolf, Berlin Natalia Woytasik, Berlin Miron Zownir, Berlin

VERNISSAGE am Freitag, 7. November 2003 um 18 Uhr
Filmprogramm: 8. bis 13. November, 19 bis 21 Uhr
FINISSAGE: Samstag, 29. November 2003. 16 Uhr
Geöffnet: Mittwoch — Samstag, 13 — 18 Uhr
oder nach telefon. Vereinbarung 693 0773

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BEITRÄGE:

mindshots - Postkartenserie

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WIE ES WEITER GING [1941—1992]

Carl Mai: Wie es weiterging, BuchcoverANSTATT EINESVORWORTES: Die Schriftsteller sorgen für die geistigen Bedürfnisse der Menschen in dieser Welt. An ihren Schöpfungen erkennt man die Kultur und die sittliche Stufe der Gesellschaft, der der Schriftsteller angehört. Er hat deshalb einen ganz besonders verantwortungsvollen Beruf. Denn es kann nicht jeder, der angenehm mit der Schreibmaschine zu plaudern versteht, sich Schriftsteller nennen. Denkt nur an die Pessimisten, die unsere schöne Erde für ein Jammertal erklären, und alles, was darauf geschieht, findet nicht ihren Beifall. Alle Menschen halten sie für schlecht und dumm. Nur mit sich selbst machen sie eine Ausnahme. Es ist töricht und albern, ein Pessimit zu sein. Mit solchen Menschen wollen wir nichts zu tun haben. Wenn uns etwas nicht gefällt, so wollen wir versuchen mitzuhelfen, damit es besser wird. Und die Menschen wollen wir lieben und gern haben, denn nur dann erringt man sich Freunde und Freude. Deshalb sollen die Dichter und Schriftsteller uns nicht nur unterhalten, sondern uns zu den Höhen des Lebens heraufführen und uns zu allem Guten, Wahren und Schönen erziehen. Der Schriftsteller schreibt die schönen Geschichten, die euch in euren Mußestunden erfreuen, zuerst auf, nachdem er sich überlegt hat, was er euch erzählen will, und auf welche Art und Weise er diese seine Erzählung schildern will. Bringt er sie in Gedichtform, oder hat er besonders feine poetische Gedanken, die er in flüssiger Form zu vermitteln versteht, so nennt man ihn einen Dichter. Schreibt er allerdings nur über Tagesereignisse für die Wegwerfzeitungen, so wird er Journalist genannt. Die größten Dichter und Schriftsteller sind unsterblich. Das Gedankengut dieser Größten geht der Gesellschaft nie verloren. Es bleibt das wertvolle geistige Eigentum der jeweiligen Nation, die es als Schatz und tiefsten Besitz noch hüten wird, nachdem der Schriftsteller und Dichter schon längst gestorben und bei seinen Müttern und Vätern versammelt ist. Man wird noch ihre Lieder singen, wenn ihr Wort schon längst verklungen ist.

Frontispiz
ES WIRD GEPRÜFT, WAS NICHT ZU ENTSCHEIDEN IST.

EINIGE AUSGEWÄHLTE KAPITEL:

410509. KAPITEL: Maien berichtet über seine Herkunft und Erschaffung auf dieser Welt und wie er in seinem Leben weiterkommen soll.

521116. KAPITEL: Maien tritt zum ersten Mal das Wasser aus seinen Augen, damit er das Weinen lernt für sein Fortkommen.

540629. KAPITEL: Maien beobachtet die Natur beim Sonnenaufgang und läuft davon, als der Überlebenskampf dort beginnt.

781109. KAPITEL: Maien erfährt, wie ein Staatsoberhäuptling in 24 Stunden das eingemauerte West-Berlinum besichtigt und darnach wieder das Weite sucht.

880501. KAPITEL: Maien genießt den Tag-der-Arbeit als Feiertag am Sonntag. Er sieht sich den Straßenauflauf dazu an und schafft es nicht,des Nachts in seine vertraute Heimstatt zu kommen.

880502. KAPITEL: Maien wird von der Staatsgewalt festgenommen und schmort in einer Einzelzelle. Nach endlosen Stunden wird er mit einer Strafanzeige in die Freiheit entlassen.

900819. KAPITEL: Maien sieht, wie die Untergangsgeschichte im Müll immer weiter davonläuft. Dabei entdeckt er ein sich abwickelndes Rationalisierungszentrum im Abfall.

910513. KAPITEL: Maien angelt einige Bücher aus einer öffentlichen Wiederverwertungsmülltonne in Berlin-Mitte an einem Platz, den sie nach Heinrich Heine benannt hatten.

910730. KAPITEL: Maien angelt Fundstücke aus einer Mülltonne in der Mollergasse hinterm Zeughaus in Berlins Mitte, wo das Teutsche Historische Museum steht.

910825. KAPITEL: Maien angelt in Berlins Mitte merkwürdige Dinge aus dem Untergangsabfall.

920130. KAPITEL: Maien verflucht die barbarischen Bahnen der teutschen Geschichte und lässt es sich nicht nehmen, die Erinnerung mit Storch-Volker und Steuer-Harry anzusehen.

REPORTAGE 1968


16 mm schwarz/weiss Film | koloriert von Volksvideo, Kassel 1984 | Video-Trailer 10:03 min

PLOT: REPORTAGE ist eine Komposition aus in den 60ern weggeworfenem diversem Wochenschaumaterial, das in den 50er Jahren zur Information der Landbevölkerung auf 16mm-Filmmaterial produziert wurde. Die Schnittfolge ist so konzipiert, dass eine dokumentierte Bewegung der oft gegensätzlichen anderen folgt. Die Sequenzen beinhalten Themen wie Taufen, Kirche, Feuerstürme, Erdbeben, Aktion, Untergang, Spass, Krieg, Karneval, Schlägerei, Konzentrationslager, Segnungen, Sturm, Tornados, Aufstand, Revolution, Einweihungen, Gefängnis, Überleben, Sport, Lust, Reklame, Kampf, Bergeshöhen, Sonnenuntergang ... Der Hintergrund-Sound dazu wurde komponiert aus Tonmaterial mit diversen menschlichen Masturbationsgeräuschen in unterschiedlichen Tonlagen und Verzerrungen. | 50 min

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REZENSION:
Dieter Brookmann: Expressive NO!-ON show in der Galerie Berliner Kunstprojekt

Experiment oder Perspektive der Galerie Berliner Kunstprojekt in der Gneisenaustrasse 33 in Kreuzberg? NO!art, gestandene und gern kritisierte Kunstprogramatik gegründet Ende der 50er Jahre, angesiedelt in New York City und Berlin, wird mit einer Auswahl von wichtigen Arbeiten in den großzügigen Galerieräumen belegt. Nach dem Rundgang erscheint die NO!art als Tochter des politischen Dadaismus allerdings aktueller denn je.

Im Mittelpunkt steht einer der Mitbegründer der NO!art-Bewegung, der NO!art MAN Boris Lurie. Einst in Leningrad geboren, aus Riga von den Nazis als Jude verschleppt, im Buchenwald-Außenlager Magdeburg von den Amerikanern befreit, ging er in die Kunstmetropole New York, wohin sein Vater geflohen war. Das Trauma der Vergangenheit ist geblieben und der Verlust der geliebten Schwester sowie der geliebten Mutter ist gegenwärtig.

"Und wieder störst Du meine Ruhe! Skelett! Und stehst vor meinem Bett!"

Der Alptraum findet bei Lurie seine sarkastischen Kommentare in den visuellen Niederschriften, in denen aber auch die Hoffnung ihren Platz findet.

In einer Montagearbeit von ihm wird das bekannte und erschütternde Foto eines amerikanischen Befreiers von Buchenwald zitiert: Die hinter dem Gittertor auf ihre Freiheit wartenden KZ-Häftlinge. Allerdings gerahmt von Animierdamen in verlockenden Posen. Die pralle Orgie fleischlicher Lust im Kontrast zur gewaltsam verordneten Vergänglichkeit des Fleisches wegen Herkunft und Denkens.

"Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut, in allen Lüften hallt es wie Geschrei," mag manchem Besucher beim Anblick solcher Kunstarbeit in den Sinn kommen.

Kurator Dietmar Kirves (Berlin), selbst mit WortBildern und einem DollarLenin in der NO! ON-SHOW vertreten, hat eine einmalige Schau dieser Künstlergruppe mit einem interessanten Rahmenprogramm inszeniert, mit einem konkreten Fingerzeig auf die heutigen Probleme in unserer Gesellschaft:

"Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen an Land, um dicke Dämme zu zerdrücken".

Da sind die sehr eigenwilligen Bilder von Bruno S. zu sehen. Jener wurde berühmt als Kasper Hauser, dem gleichnamigen, gekrönten Film von Werner Herzog, und dem Streifen "Strozyk" des Kultregisseurs. Bruno S. überlebte das Vernichtungsprogramm der Nazis, floh aus der staatlichen Heimerziehung des Ostens, arbeiteten dann nach einer Odyssee durch Obdachlosenasyle im Westteil der Stadt jahrelang ganz brav, ganz seriös bis 1992 bei Borsig. Seit über 30 Jahren belegt er seine Lebenserfahrungen und Weltsichten ungewöhnlich auf dem Papier, zieht gelegentlich heute noch mit seiner Ziehharmonika durch die Berliner Hinterhöfe.

"Zu jeder meiner Musiken male ich meine Bilder", sagte es und sang sie dem Publikum vor den Exponaten: Die Macht ist groß, Das Volk ist klein und Der Machthaber ist das größte Schwein. Und seine intensiven, wortlosen Musikstücke wie "Lili (Marleen) Money" bringen den wachen Hörer zu eigenem Reim: Fürs Nuttchen vom Muttchen nie mehr ein Wehrmachtssoldat, nie wieder ein GI. Nur fürs Bare wird jetzt das Horizontale schlüpfrig gemacht.

NO!art ist nicht das Programm ohne künstlerische Visualität oder ein Konzept der Antikunst, sondern es ist vielmehr die Alternative gegen biedere Salonmalerei und qualitätsfressenden Kunstkommerz mit krassen politischen Ansagen. NO!art hat zwar Randkontakte zu anderen Dada-Nachfolgern wie Fluxus (über Kaprow und dem an der Ausstellung beteiligten Lebel) und über die De-Collagen z.B. zu Vostell (und dessen historischer Berliner Verpflichtung zu Hausmann und Hoech), Haines oder Koepcke. Die NO!artisten halten jene Dada-Spielarten wie auch die Pop Art für politisch eher glimpflich. Zwar brachen die Pop Künstler den abstrakten, erstarrten Kunstsalon, doch schließlich setzten sie der widersprüchlichen amerikanischen Gesellschaft ihre Ikonen. NO!art-Poet Harry Hass hält dem allerdings entgegen: "Denkt an den Elektrischen Stuhl und an andere Bilder Warhols."

Harry Hass trug mit theatralischer Inbrunst und wodkastimulierter Stimmgewalt seine Anarchostossgebete vor, eine poetische Darstellungskraft wie sie heutzutage immer seltener passiert. Es sind die hegelianischen Widersprüche modernster Prägung im Menschen, in Gesellschaft, im Geist und im Sein die seine Sprachgelage beflügeln, wie bei den anderen NO!artisten ein Gegensatz von Grauen und Freude, von Tod und Liebe, von Vergänglichkeit und Lust, von Gewalt und Zärtlichkeit. Sinnliches einer morbiden spätbürgerlichen Gesellschaft. Und wenn der deutsche Kaiser im niederländischen Exil mit Flüchen auf sein einstiges deutsches Volk als Biedermann das Holz für Jedermann hackte, waren aber doch die Neuen Kleider des Kaisers wie zu allen Zeiten nie blau-weiß gestreift.

Leider sind in dieser interessanten Präsentation nur wenige Fotoarbeiten von Miron Zownir zu sehen. Zownir hatte Anfang der 70er die Berliner Punkszene ins Bild gesetzt und später die East Side New Yorks dokumentiert. Aber einige brillante Kurzfilme konnten die Besucher trotzdem an den Filmprogrammabenden sehen, wie den über Bruno S., Die Fremde ist der Tod oder den mit Harry Hass als Bankräuber in Jetzt oder Nie sowie den bemerkenswerten Streifen Dead End.

Neben den alten New Yorker Cracks der NO!art-Bewegung wie Clayton Patterson und Aldo Tambellini, einem preisgekrönten Pionier der Video- und Multimedia-Kunst, sind auch Berliner integriert, ältere, die zum NO!art-Stamm gehören, und jüngere, die sich dieser Strömung verpflichtet fühlen.

Beachtenswert die Elektroanimationen auf Papier von Mathilda Wolf, die das Lebende Gummibild erfand und live bei Events im Städel, in New York City und in Berlin vorführte, die grossformatigen Plakatcollagen von Peter Meseck und Friedrich Wall, die in einem pittoreskem Ambiente nachempfundenen Voyeurmalerei von Stu Mead, die provokanten Radierungen von Reinhard Scheibner oder die Restlichtfotos von Natalia E. Woytasik.

Bei dieser NO!art-Attacke gegen biederen Geschmack und modernistische Formen bleibt nicht nur die Klage:

"Die Tage sind so still und grell geworden ... Mich packt die Angst, dass ich mein Heil verliere Wie wenn ich ginge, meinen Gott zu richten."

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ÜBER DIE GALERIE: "Art has its meaning just like any other words," so der Projektleiter Abraham Lubelski vom "Berliner Kunstprojekt". Er sei kein Galerist und das Berliner Kunstprojekt (BK) sei keine Galerie. Seit einem guten halben Jahr experimentiert Lubelski in der Gneisenaustraße 33 in Kreuzberg mit dem selben Konzept wie in seiner anderen – nennen wir es doch Galerie – in New York.
Von der gleichnamigen Malah Lubelski Culture Stiftung und einer IMI Corp. werden die finanziellen Grundrisse für seine Projektideen unterstützt. Es ist Lubelskis Art, die Antwort über das Leben zu suchen. Für ihn soll das Leben nicht von einem Beruf graviert werden, sondern er ist eine Person, die gleichzeitig viele Identitäten hat. Die Unfertigkeit des Lebens und die Sehnsucht nach Erweiterung oder Grenze des persönlichen Horizonts werden zum großen Teil von der Unternehmensphilosophie des Berliner Kunstprojektes zum Ausdruck gebracht. Die etwa 200qm große Räumlichkeit bietet nicht nur jungen Künstlern eine Chance, ihren ersten Schritt in die Öffentlichkeit zu wagen. Sondern der Ort sollte auch als Sammelpunkt neuer Ideen und Experimente funktionieren. — Hsiu-Ling Chi (16.07.2003)

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