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Ausstellung von Dietmar Kirves suchen

TRAUMGEBILDE
MAIL-ART-Ausstellung | 6. Januar bis 24. Februar 1986
Kuratoren: Thomas Westermann und Wolfgang Schneider
GALERIE IM FLUR | Kulturhaus Ernst Thälmann
Erich-Weinert-Str. 27 | 39104 Magdeburg
TAGGED: DDR-Stasibericht +++ Stasi-Bewertung

Einladungskarte Traumgebilde
Einladungskarte

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TEILNEHMENDE KÜNSTLER

ARGENTINA: Edgardo-Antonio Vigo, La Plata.

AUSTRIA: Franz-Milan Wirth, Wien; Herbert Kerchbaum, Wien; Martin Krist, Stockerau; Viktor Rogy, Klagenfurt.

BELGIUM: An-Atomic, Eugies; Club Moral, Antwerpen; Dirk van Severen, Meulebeke; Guy Bleus, Wellen; Luc Fierens, Hombeek; Piotr Aakoun, c/o Peter Moreels; Rudi Wilderjans, Borgloon.

BRASIL: Lucio Kume, Sáo Paulo.

CANADA: Jupitter-Larsen, Vancouver.

CSSR: Eva Vlasáková, Želesný Brod; Gabriel Tanuska, Puchov; Pavel Rudolf, Brno.

DENMARK: Mogens Otto Nielsen, Hjallerup; Schmidt-Olsen, Hjørring, Steen Krarup, Copenhagen; Plagiat, Steen Møller Rasmussen, Valby.

ENGLAND: A.1. Waste Paper Co. Ltd., London; David George, Bristol; David J. Bell, Derby; Jilly Jargon, Faversham/Kent; Keith Bates, Manchester; Lizzie de Bechi, Bristol; Mark Pawson, Cheshire; Robin Crozier, Sunderland; Roger Radio, Faversham/Kent; Routine Art Co., London.

FRANCE: J. Rabascall, Paris; Jacques Massa, Paris; Lucien Suel, Berguette; Michel et Valentine Collet, Lure; Pascal Lenoir, Andeville; Paul Lamontellerie, Tresses; Philippe Laurent, Blois; Pierre Marquer, Salernes; Sara Joyce, Isbergues.

GERMANY/DDR: Andrea Barthold, Karl-Marx-Stadt — Chemnitz; Andrea Hammerbacher, Suhl; Andrea Minkwitz, Dresden; Bernd Hiepe, Erfurt; Bernd-Lutz Lange, Leipzig; Birger Jesch, Volkmannsdorf; Bogomil J. Helm, Berlin; Christian Lang, Karl-Marx-Stadt — Chemnitz; Christine Rosenbaum, Oberlungwitz; Claudia Westermann, Magdeburg; Claus Bach, Weimar; Detlef Kappis, Berlin; Dietrich Buhrow, Greifswald; Eric S. Linge, Magdeburg; Frank Herrmann, Dresden; Franziska Schneider, Magdeburg; Friedrich Winnes, Berlin; Georg Felsmann, Karl-Marx-Stadt — Chemnitz; Gerda Dassing, Groß Roge; Guillermo Deisler, Halle/S.; Hans-Jürgen Heß, Schwarzenberg; Henri Winter, Magdeburg; Ingo Hetsch, Schönebeck; Jens Berek, Magdeburg; Joachim Schütte, Magdeburg; Joachim Stange, Dresden; Jörg Sonntag, Dresden; Joseph W. Huber, Berlin; Jürgen Schieferdecker, Dresden; Jürgen Schneider, Magdeburg; Jürgen Schöberl, Karl-Marx-Stadt — Chemnitz; Karla Sachse, Berlin; Karsten Matthes, Rochsburg; Knut Hartwich, Sellin; Lutz Wohlrab, Berlin; Manfred Butzmann, Berlin; Manfred Martin, Leipzig; Martin Bernhardt; Rainer Löhr, Magdeburg; Rainer Schrock, Magdeburg; Rambo Gerlach, Erfurt; Renate Oelert, Bergen; Robert Rehfeldt, Berlin; Roland Beier, Neubrandenburg; Roland Mühler, Magdeburg; Ruth Adolphi, Halle/S.; Ruth Wolf-Rehfeldt, Berlin; Sal-Gerd Beyer, Berlin; Siegfried Otto, Hermsdorf; Silke Krambeck, Stralsund; Steffen Jacob, Karl-Marx-Stadt — Chemnitz; Thomas Fleischhauer, Magdeburg; Thomas Westermann, Magdeburg; Torsten Linz, Leipzig; Ute Ortag, Karl-Marx-Stadt — Chemnitz; Volker Beyer, Falkenau; Walter G. Goes, Bergen; Wolfgang Lehmann, Zwickau; Wolfgang Schneider, Magdeburg.

GERMANY (BRD): Achim Schnyder, Kassel; Albrecht/d., Stuttgart; Aloys Ohlmann, Baltersweiler; AnthroArt, Berlin; Arno Bojahr, Hannover; Barbara Seifried, Köngen; Bernd Olbrich, Kassel; christoph machArt, Bochum; Dietmar Kirves, Berlin; Endre Tót, Köln; Franz-Josef Weber, Siegen; Frieder Kerler, Göppingen; Géza Perneczky, Köln; Graf Haufen, Berlin; Henning Mittendorf, Frankfurt/a.M.; Joki Mail Art, Minden; Jürgen Kierspel, Stuttgart; Jürgen O. Olbrich, Kassel; Jürgen Prusas, Hannover; Karl Riha, Siegen; Klaus Reichling, Sonsbeck; Marianne Seifried, Ludwigsburg; Ona Nuk, Berlin; Ouart, Berlin; Roland Szefferski, Berlin; Siglinde Kallnbach, Kleinsassen; Thomas Nägele, Göppingen; Ulrich Kattenstroh, Berlin; Uwe Hamm-Fürhölter, Aidlingen; Werner Elbrecht, Bochum; Wolfgang Hainke, Ganderkesee.

GREECE: Vlasis Rassias, Athen.

HELVETIA: H. R. Fricker, Trogen.

HOLLAND: Avoc Artdesign, Jan W. Vugts, Tilburg; Basis Orguna, Amsterdam; Holly Moors, Haren; Jan Verschoore, Oostburg; Ko de Jonge, Middelburg; Leidi Haaije, Maastricht, Rod Summers, Maastricht; Ruud Janssen, Tilburg; Stichting Limbabwe, Venlo; Theodoor Stampy; Willy Scholte, Amsterdam.

HUNGARY: Károly Elekes, Budapest; Lengyel András, Budapest.

ITALY: Arnaldo Esposto, Genova; Emilio Morandi, Bergamo; Fanna Roncoroni, Villorba; Gaetano Colonna, Sorrento; Jean-Paul Morelle, Verona; Last Exit, Antonio Tregnaghi, Lucca; Nicola Frangione, Monza; Roberto Zito, Roma; Sara, c/o Sani, Cernusco; Ubaldo Giacomucci, Pescara; Vittore Baroni, Forte dei Marmi; Vittorio Baccelli, Lucca.

JAPAN: Shozo Shimamoto, Hyogo).

N. IRLAND: Ben Allen;

POLAND: Andrzej Dudek-Dürer, Wroclaw; Pawel Petasz, Elblag; Piotr Rogalski, Piotrkow; Stacho Klonowski, Lublin.

ROMANIA: Andrei Oisteanu, Bucharest; Dan Mihăltianu, Bucharest; Mircea Florian, Bucharest. SPAIN: Rafael Flores, Andujar-Jean; Xoan Anleo, Pontevedra.

SWEDEN: Bengt Adlen, Malmö; Lars Vilks, Arild.

URUGUAY: Clemente Padin, Montevideo.

USA: Abracadada Rubber Stamp Co., San Fransisco; Bill Chambers, Lawrenceville; Bob Kirkman, Chico; Carlo Pittore, New York; Darlene Altschul, Tarzana; David Cole; Des McLean, Glassboro; Dolores Doroff, Minneapolis; Gary Gach, San Francisco; Jeff Mullican, Los Angeles; Joachim Frank, Albany; John Evans; New York; John Held jr., Dallas; Katherine & Alexander Hirka, New York; Midnight, New Orleans, Patrick T., Berkeley; Private World, San Francisco; Radio Dream DADA, Santa Rosa; Robert Ashworth, Bellingham; Rockola, San Francisco; Steinlicht, Minneapolis; The Spitter, John M. Bennett, Columbus; Xelda-RADIOFREEDADA, Los Angeles; Zir Zan, c/o Zan Hoffman, Des Moines.

VENEZUELA: Carlos Zerpa, Valencia.

YUGOSLAVIA: Andrej Tišma, Novi Sad; Nenad Bogdanovic, Odzaci; Pop D. Djurdjev, Novi Sad.

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DDR-STASIBERICHT von WERNER WEBER O.U. 26.01.1986

Betr.: WESTERMANN, Thomas - SCHNEIDER, Wolfgang, beide Magdeburg „tRAUMgeBILDe“ - „Mail Art-Project No. 1“, Materialien der geplanten 11. Ausstellung der GELERIE IM FLUR des Kulturhauses „Ernst Thälmann“, Magdeburg, Januar/Februar 1986. Nach Durchsicht der mir durch Genossen H. übergebenen beiden Aktenordner mit ca. 400 auf dem Postweg an die Privatanschriften der Bürger WESTERMANN, Thomas und SCHNEIDER, Wolfgang

Eingegangenen Postkarten mit Arbeiten der sogenannten „Mail Art“ von Absendern aus der DDR, wenigen sozialistischen Ländern sowie aus der BRD/Berlin-West und zahlreichen Staaten des kapitalistischen Auslands, vorwiegend Mitgliedsländern der NATO, gebe ich nachstehend auftragsgemäß eine erste Einschätzung der Materialien: Alle der Einschätzung zugrundeliegenden Unterlagen, - die den potentiellen Teilnehmern an dem „Project“ zugesandten Einladungen in deutscher und englischer Sprache, - der aus den erfolgten Einsendungen abzulesende vermutliche Einladungsmodus,- Wortlaut und Gestaltung des Entwurfs der Einladung zur Ausstellungseröffnung,

- Form und Inhalt der Mehrzahl der eingegangenen Arbeiten,
- Ordnungs- (und offenbar nicht beabsichtigtes Auswahl-) Prinzip sowie Kommentierung der Arbeiten durch WESTERMANN und SCHNEIDER (abzulesen an den maschinenschriftlichen Unterschriften) führen zu dem zwingenden Schluß, daß die beiden Organisatoren n i c h tn die Absicht hatten, mit ihrer Aktion und der beabsichtigten Ausstellung einen kultur- und kunstpolitischen Beitrag als Bereicherung des Kulturlebens der Bezirksstadt Magdeburg im Jahr des XI. Parteitages der SED, des 100. Geburtstages Ernst Thälmanns, des Namenspatrons ihres Trägerkulturhauses, sowie vor den 21. Arbeiterfestspielen der DDR zu leisten. Alle Unterlagen lassen vielmehr den Verdacht aufkommen, es komme den Initiatoren darauf an, mit ihrem „Mail-Art-Project“ eine Art kultur-, kunst- und kontaktpolitischer „Alternative“ zu den Bemühungen von Partei und Staat in der DDR um eine parteiliche, volksverbundene sozialistische-realistische Kunst und die immer stärkere Integration mit den sozialistischen Bruderländern zu entwickeln. Eine solche Tendenz fällt bereits bei einem statistischen Überblick über die Einsendungen ins Auge:

Neben dem naturgemäß großen Anteil von Einsendungen aus der DDR mit etwa 110 ist die CSSR mit 6, die UVR mit 4, die VRP mit 2 und die SRR mit 2 Beiträgen vertreten. Zählt man die 4 Einsendungen aus der SFRJ hinzu, sind die sozialistischen Länder mit ganzen 18 Arbeiten, mit der DDR zusammen mit 128 Arbeiten vertreten. Demgegenüber stehen 185 Einsendungen aus dem kapitalistischen Ausland, davon 173 aus NATO-Staaten, 68 Arbeiten allein aus der BRD und Berlin-W. Abgesehen von der deutlich „begierigen“ Verwendung aller englischsprachigen Bezeichnungen durch WESTERMANN und SCHNEIDER sind ihre Definitionen für das Entstehen der „Mail Art“ sowie ihre Darlegung der eigenen Absichten auf dem Entwurf der Einladung ein klarer Hinweis darauf, daß es ihnen vorwiegend auf die Form ankommt, sie eine inhaltliche Konzeption nicht besitzen, unbewußt oder eher bewußt zu umgehen suchen.

Nach beider Auffassung ist „Mail Art“ in erster Linie Kommunikation, Gedankenaustausch, postalisches Zwiegespräch, Übermittlung von Informationen zwischen Künstlern, auch zur Überwindung ihrer Isolation. Kein Wort davon, daß „Mail Art“ international zu einem wesentlichen künstlerischen Medium zur Verbreitung politischer Forderungen, vorwiegend progressiver, humanistischer geworden ist, aber auch bereits von reaktionären Kräften benutzt wird. Kein Wort, daß „Mail Art“ eine Rolle im Kampf gegen die nukleare Raketenrüstung der NATO, gegen den Rassismus in Südafrika, gegen die Einmischung des US-Imperialismus in Lateinamerika spielt, daß typische Aktionen der Kinder und Jugend der DDR zur Befreiung Angela DAVIS‘, Luis CORVALANs, Nelson MANDELAs per massenhafter Postkartenaktionen in großen Teilenursprüngliche „Mail-Art“-Aktionen waren.

Schon ein oberflächlicher Überblick über die Arbeiten von Einsendern aus der DDR macht deutlich, daß die Mehrheit dieser (Amateur- und Berufs-) Künstler ästhetisch nicht auf dem Boden des sozialistischen Realismus und politisch-ideologisch nicht auf den Positionen des real existierendenSozialismus steht. Von einigen wirklichen „Spielereien“ abgesehen, dominieren offene oder versteckte Kritik zum Umweltschutz, angeblicher Vereinsamung und Isolierung, Bürokratie, staatliche „Bevormundung“, allgemeine pazifistische Friedensapelle und Warnungen, Skepsis oder abstrakte Formspielereien mit Tendenz zur Auflösung (übrigens auch bei WESTERMANN und SCHNEIDER selbst). Von Kunst f ü r den Sozialismus kann keine Rede sein. Bei den Arbeiten der ausländischen Einsender sind alle Schattierungen formaler wie inhaltlicher Art vertreten. Es geht von den „Jüngern Onans“, vermutlich Homosexuellen, über eine Verherrlichung des BRD-Revanchismus (von WESTERMANN und SCHNEIDER irrtümlich ?? für das Gegenteil ausgegeben), Kitsch, Pornografie, kommerzielle Produkte bis hin zu eindeutig sozialkritischen Auseinandersetzungen mit dem gewöhnlichen Kapitalismus sowie Anklagen gegen Rassismus und imperialistische Friedensgefährdung.

Aus den Unterlagen ist nicht zu entnehmen, ob WESTERMANN und SCHNEIDER gewillt und in der Lage waren, die Arbeiten zu selektieren und die politisch relevanten Aussagen so zu präsentieren, daß ihre klassen- und systemrelevante Bestimmtheit unzweideutig für den DDR-Betrachter zum Ausdruck gekommen wäre.

Nach Lage der Dinge ist eher das Gegenteil anzunehmen, daß der DDR-Betrachter die Aussagen auf seine sozialistische Umwelt beziehen müßte und möglicher Weise sollte.

Es fällt bei den maschineschriftlichen Kommentaren der beiden Organisatoren ins Auge, daß häufig der Begriff „Spielerei“ eine thematische und inhaltliche Irrelevanz signalisieren soll, wo die beabsichtigte Aussage in etwa doch deutlich wird. Ob hier Unvermögen, Leichtfertigkeit oder Absicht vorherrschen, ist nicht eindeutig zu entscheiden. Dafür einige wenige, aber typische Beispiele:

1. Im Ordner SCHNEIDER ist unter Nr. 8 eine Einsendung von LANGE, Bernd-Lutz, 7030 Leipzig als „Spielerei“ bezeichnet. Das über die vorgegebene Fotografie des Raumes geklebte r o t e Gitter ist wohl kaum als „Spielerei“ gemeint.

2. Ähnliches gilt für den „verrammelten Raum“ von SONNTAG, Jörg, 8019 Dresden (SCHN./18)

3. Die Arbeit „The way of Zen“ („Der Weg des Zen“) von ROGALSKI, Piotr, SKR Poclt. 99, 97-300 Piotrkow TRYB. VR Polen (SCHN./57) wird als „Kritik an Religion (+ Sekten)“ bezeichnet, soll aber wohleher den „Zen“ als Ausweg aus der Enge ins Licht propagieren, der Absender ruft immerhin zur Beteiligung unter dem Motto „Der vierdimensionale Mensch“ an einem „Project“ auf.

4. Auch bei der Arbeit von HEß, Hans-Jürgen, 9430 Schwarzenberg taucht das Gittermotiv auf (SCHN./73), wird aber ebenfalls als „Spielerei“ eingestuft.

5. „Angst“ - ein Alptraum in rot (Vereinsamung) nennen WESTERMANN und SCHNEIDER die Arbeit von HIEPE, Bernd, 5061 Erfurt. Die Rückseite der Karte ist überklebt, darunter kommt neben der Anschrift des Urhebers der wirkliche Titel zum Vorschein: „Im T/Roten Raum“ (!)

6. Im Ordner WESTERMANN ist unter der Angabe „drücke der zukunft deinen stempel auf“ (Anregung zum aktiven Engagement) eine Karte eingeordnet, die beim Bahnpostamt 1005 Berlin der DDR-Hauptstadt aufgegeben wurde. Sie enthält u.a. einen Stempel mit folgendem Text:
BIMA-MEET
BRD DDR
Klaus Groh Robert Reha
Augustfehn
24.2.85
Auf der Anschriftenseite, die mit „Herzhaft R.R...“ unterschrieben ist und auch die Bemerkung enthält: „Never can stop your ideas!“ (Niemand kann Eure Ideen aufhalten!), ist der Stempelabdruck der Umrisse eines Rindes widergegegeben, der an der Stelle der Bezeichnung der einzelnen Fleischteile Namen von Personen verschiedener nationaler Herkunft enthält, die wahrscheinlich Angehörige einer internationalen (Künst-ler-?, Mail Art-?) Gruppierung sind. Auch hier fanden die Empfänger WESTERMANN und SCHNEIDER anscheinendnichts Bemerkenswertes.

7. Die daneben eingeordnete Karte von KIRVES, Dietmar, D-1000 Berlin (-West) 61, enthält offenbar eine Kritik des Absenders an dem Motto der Ausstellung. Anders ist die darübergemalte hand und die Wortspielerei mit dem Ausstellungsanliegen
TRÄUME SIND KEINE RÄUME
RÄUME SIND KEINE TRÄUME
TRÄUME SIND ENGE RÄUME
kaum zu interpretieren. WESTERMANN und SCHNEIDER machen darausn „Gesellschaftliche Kritik an Einengungen (BRD)“.

Bewertung:

Die von den Organisatoren WESTERMANN und SCHNEIDER geplante „Mail-Art“-Ausstellung „tRAUMgeBILDe“ verstößt von der Art ihres Zustandekommens wie von von ihrer nach den vorliegenden Materialien anzunehmenden Realisierung in Inhalt und Form gegen Grundsätze der staatlichen Kulturpolitik der DDR und konnte daher nicht geduldet werden.

1. Eine inhaltliche Konzeption im Sinne sozialistischer Kulturpolitik ist weder formuliert noch erkennbar.

2. Die Einsendungen von Autoren aus der DDR entsprechen in ihrer Mehrzahl weder formal-ästhetisch noch inhaltlich den Ansprüchen an sozialistische Kunst. Sie artikulieren zu einem größeren Teil verabsolutierend Kritik an Erscheinungen der gesellschaftlichen Realität in der DDR, verbreiten Skepsis und Zukunftspessimismus, tendieren in der Form zur Auflösung, soweit sie nicht banal bzw. dilletantisch sind. Diese Arbeiten vermitteln ein falsches Bild von der Kunst der DDR, insbesondere der Grafik, und bedienen die Erwartungen einer bestimmten „Szene“. Die großen Probleme der Menschheit und der sozialistischen Gesellschaft der DDR auf dem Weg zur Jahrtausendwende kommen, von allgemein-pazifistischen „Mahnungen“ abgesehen, nicht vor.

3. Die unübersehbare zweitgrößte Gruppe von Einsendungen (vermutlich aufgrund ähnlich starker „Einladungen“) stammt von „Mail-Art“-Verfassern aus der BRD und Berlin-West. Dadurch wird schon rein statistisch die BRD-These von der „einheitlichen deutschen Nation“ und der „einheitlichen deutschen Kultur“ objektiv unterstützt. Gleichzeitig wird das in Vorbereitung befindliche Kulturabkommen zwischen der DDR und der BRD unterlaufen, indem hier der „Nachweis“ geführt wird, daß ein zwischenstaatliches Abkommen überhaupt nicht notwendig ist, da bei entsprechenden „Initiativen“ der Kontakt zwischen Kulturschaffenden, Institutionen usw. beide Staaten „ja auch so gut funktioniert“.

Weiter wäre eine „Präzidenzfall“ für die Zeit nach dem Inkrafttreten des Kulturabkommens geschaffen, die Vereinbarungen „extensiv“ auszu-legen und wie WESTERMANN und SCHNEIDER zu verfahren.

4. Die Ähnlichkeit der „sozialkritischen“ Themen und Aussagen der „Mail Art“-Arbeiten aus der DDR und den kapitalistischen Industrieländern führt bei der zu unterstellenden Unterschlagung der Tatsachen, daß es sich bei den Einsendern aus dem NSW durchaus um einen repräsentativen Querschnitt, bei den DDR-Teilnehmern jedoch um das genaue Gegenteil, nämlich um eine Konzentration von nichttypischen, mehr oder weniger „systemkritischen“ Autoren handelt, zu dem Eindruck, daß es zwischen sozialistischen und kapitalistischen Industriestaaten eine „systemübergreifende“ Konvergenz negativer Erscheinungen im gesellschaftlichen Leben (Widerspruch zwischen „Geist und Macht“, Unterdrückung, Manipulation, Friedensgefährdung durch Aufrüstung, Egoismus, Zukunftsangst, Isolierung, Entfremdung, unausbleibliche Umweltkatastrophe usw.) gibt.

5. Die oberflächliche und leichtfertige (?) bzw. bewußt verschleiernde Art der Aufbereitung der Einsendungen durch die beiden Organisatoren mit Hilfe ihrer Unterschriften würde schließlich zu dem Effekt führen, daß Aussagen westlicher Einsender von den Ausstellungsbesuchern auf ihre eigene, sozialistische Wirklichkeit bezogen werden müßten. Die rechtliche Würdigung der Aktivitäten von WESTERMANN und SCHNEIDER ist schwierig. Als im kulturellen staatlichen Bereich Tätigen war ihnen mit Sicherheit bekannt, daß eie berufliche Kontaktaufnahme zu Personen und Institutionen im NSW nur mit ausdrücklichem Auftrag, in aller Regel jedoch nur von den dafür zuständigen staatlichen Organen erfolgen darf. Daß sie die Einsendungen an ihre Privatanschriften gehen ließen, beweist schlüssig, daß sie sich dieser Situation bewußt waren und den Verstoß vorsätzlich begingen. Inwieweit für die von WESTERMANN und SCHNEIDER hergestellten bzw. in Auftrag gegebenen, mechanisch vervielfältigten Materialien die erforderlichen Genehmigungen vorlagen bzw. sie ohne Genehmigungen handelten, ist Unterzeichnendem nicht bekannt. Im Falle der illegalen Herstellung sind in jedem Fall die einschlägigen Ordnungsstrafverfahren durchzuführen und aufgrund der Bedeutung die höchstmöglichen Sanktionen zu verhängen. Bei der Durchsicht der Mitteilungen auf den Einsendungen entstand der Eindruck, daß einige der Absender aus dem NSW, insbesondere aus BerlinWest, mit WESTERMANN und/oder SCHNEIDER persönlich bekannt sind, u.U. es sich um ehemalige DDR-Bürger handelt. Inwieweit es sich dabei um strafrechtlich relevante Kontakte, Nachrichtenübermittlung o.ä. handeln könnte, ist zu prüfen.

Objektiv stellt sich das „Mail-Art-Project“ Nr. 1 als ein Angriff auf die Kultur- und Kunstpolitik der DDR dar. Mit hoher Wahrscheinlichkeit wird dieses Ziel von WESTERMANN oder SCHNEIDER oder von beiden bewußt verfolgt. Beweisbar ist dieser subjektive Aspekt im juristischen Sinne nach dem vorliegenden Material nach Ansicht des Unterzeichnenden nicht. --- Werner Weber

Langes Jörg Sonntag
1. Lange, Bernd 2. Sonntag, Jörg
Piot Rogalski Hess, Hans-Jürgen
3. Rogalski, Piot 4. Hess, Hans-Jürgen
Bernd Hiepe Dietmar Kirves
5. Hiepe, Bernd 7. Kirves, Dietmar

Stasibericht dazu von Werner Weber am 26. Januar 1986 (pdf)

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