„Informationen von Künstlern bzw. Künstlergruppen, die auf ihrem Arbeitsfeld eine bewusstseinsbildende Konzeption erkennen lassen.“ — Mit diesem kurzen Satz charakterisiert der Verleger und Künstler Dietmar Kirves, vielen auch bekannt als ein deutscher Mitstreiter der „NO!art“-Bewegung, seine Heftreihen „art information“ of und „media news“. In der Ausstellung „Dietmar Kirves — art information“ zeigt das Studienzentrum für Künstlerpublikationen nun einen Überblick über die Editionen des mediacontact Verlages, den Kirves 1970 in Düsseldorf gründete. Mit den Publikationen „art information“ und „media news“ wollte er eine Plattform schaffen, mit der Informationen zur zeitgenössischen Kunst einem breitem Publikum preiswert zugänglich gemacht werden sollten, um so eine kreative Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit zu fördern. Zwischen 1970 und 1973 bat Kirves Künstler unterschiedlicher, damals eher alternativer Kunstströmungen darum, Momentaufnahmen und Beispiele ihrer Arbeit zu präsentieren. In der Reihe „art information“ erschienen im Zeitraum von 1971 bis 1973 Ausgaben von: Joseph Beuys, Michael Buthe, Terry Fox, Jochen Gerz, Joel Glassman, Anatol Herzfeld, Jean Le Gac und Sarkis Zabunyan. In der Reihe media news (1970 — 1971) wirkten Hansjürgen Bulkowski, Christine Franz, Florian Schneider-Esleben, Timm Schröder, Landfried Schröpfer und Fritz Schwegler mit. Während „art information“ sich vor allem auf die Darstellung von Arbeitsergebnissen und Projekten der Künstler und Künstlergruppen konzentriert, stellt „media news“ gesellschaftlich relevante Zwischenbereiche, wie Kommunikation, Motivation und Psychologie zur Diskussion. Die Hefte wurden in Auflagen von bis zu 200 Stück pro Edition in dem Verlag mediacontact in Deutschland, Frankreich und Amerika vertrieben.
In der Ausstellung werden neben der Heftreihe Fotografien sowie Film- und Tonmaterial präsentiert, welche auch die zeitgleich stattfindenden Ausstellungen in der „mediacontact agency“ widerspiegeln.
INFORMATIONSBLATT:

Dietmar Kirves - art Information
29. Januar- 2. Mai 2010
Die Ausstellung "Dietmar Kirves - art information" zeigt einen Einblick in die Arbeit des Verlages mediacontact, der 1970 bis 1974 von dem Künstler Dietmar Kirves geleitet wurde.
Vier Jahre lang führte Dietmar Kirves die "mediacontact-agency for art events, creativ planning and
public relations" in Düsseldorf. In diesem Zeitraum gab Kirves die beiden Heftreihen "art Information" und "media news" heraus, welche in dieser Zusammenstellung erstmalig der Öffentlichkeit präsentiert werden. Beide Reihen dienten als Publikationsorgan zur kreativen Auseinandersetzung mit der Öffentlichkeit. Mit der Absicht regelmäßig kulturelle Beziehungen zur Öffentlichkeit durch Informationen zu pflegen und die kreative Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Interessierten zu fördern, sollte die Relevanz von Kunstinformationen und Media-Forschung der Allgemeinheit nahe gebracht werden.
Auf der einen Seite zeigt "art information" einen Einblick in die Arbeit von Künstlern und Künstlergruppen, die in ihrem Arbeitsfeld bewußtseinsbildende Konzeptionen erkennen lassen. Sie berichten über ihre Arbeit, Intentionen, Konzepte und Ereignisse .
Auf der anderen Seite wurden in "media news" Informationen aus relevanten Zwischenbereichen, die eine Gruppe, eine Gemeinschaft, ein Gemeinschaftsgefüge oder eine Gesellschaft interessieren, betreffen oder formen präsentiert. Es sind Arbeiten von verschiedenen Autoren zu Kommunikation, Motivation, Therapie und Psychologie.
Dietmar Kirves sagt selbst, er wollte "Kunst in gesellschaftlich relevanten Bereichen zeigen, nicht Kunst für die Wände des Bürgertums". Ebenso war es seine Intention, zeitgenössische Kunst, die "zum Denken anregt" der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.
Die Gestaltung der Heftreihe verlief stets in Kooperation mit den Künstlern. Zum Teil fanden parallel zu den erschienenen Heften Ausstellungen in seiner Düsseldorfer Kellergalerie "mediacontact statt. Als Zeichen der Authenzität wurden alle Exemplare von den Künstlern signiert.
Bevor Kirves mediacontact gründete, arbeitete er in der Werbebranche, organisierte Kunstausstellungen und reiste durch ganz Deutschland, um interessante Künstler ausfindig zu machen. Mit der Gründung seiner eigenen Galerie baute er in dieser Zeit ein Netzwerk an Künstlerkontakten auf, das bis heute besteht. Berühmte Käufer seiner Hefte waren z.B. Heinrich Böll, Ernst Jünger und Karl Lagerfeld.
Im Zeitraum von 1970 bis 1974 erschienen im mediacontact Verlag folgende elf Editionen.
art information Nr. 1: Der Stahltisch mit Anatol Herzfeld &. Joseph Beuys
Innerhalb einer Performance, werden drei Sprecher mit Stahlschellen um die Handgelenke an einen von Anatol Herzfeld ("1931, Insterburg) geschaffenen Stahltisch geschraubt. Nur auf ein befristetes Signal hin, das von Herzfeld gesteuert wird, ist es ihnen erlaubt zu sprechen. Joseph Beuys (1921-1986) beobachtet die Aktion schweigend und führt dazu bestimmte Gesten aus. Die gesamte Performance wurde aufgezeichnet.
Herzfeld ist bekannt geworden durch seine Zeichnungen, Radierungen, Malerei, Multiples (Brettbildern) und Plastiken aus den unterschiedlichsten Materialien. Er sieht den Betrachter als integrativen Bestandteil des Kunstbegriffes. Neben dem Polizeidienst nahm Herzfeld einen Lehrauftrag an der Kunstakademie in Düsseldorf wahr.
Beuys gilt weltweit als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Sein umfangreiches Tätigkeitsfeld reicht von Fluxus, Aktionskunst (sozialpolitische Aktivitäten, „Soziale Plastik", Free International University), Bildhauerei (Objekte, Installationen), Zeichnungen (Malerei), bis hin zu seinen theoretischen Schritten. Er beschäftigte sich mit den Fragen des Humanismus, der Sozialphilosophie und Anthroposophie.
art information Nr. 2: Isolation Unit mit Terry Fox & Joseph Beuys
Das Heft dokumentiert ein Fluxus-Happening im Keller der Düsseldorfer Akademie zur Beerdigung einer Maus von Joseph Beuys. Währendessen wurde die akustische Begleitung der Zeremonie durch Stahlrohre aufgenommen. Terry Fox (1943-2008) war Aktions- und Protestkünstler der Fluxusbewegung, Maler und Bildhauer. Er beschäftigte sich mit der Reflektion von Leben und Tod, körperlichen Erfahrungen, Klang und Sprache und Einsatz alltäglicher, einfacher Materialien (z.B. Staub, Klaviersaiten). Seine Skulpturen existierten oft nur für die Dauer der Aktion.
art Information Nr. 3. Freunde von Michael Buthe
Das Heft dokumentiert Porträtaufnahmen von Menschen, die einen bleibenden Eindruck bei Buthe hinterließen.
Michael Buthe (1944-1994) war Professor an der Kunstakademie Düsseldorf, Kunstmaler, Bildhauer, Collageur und Schriftsteller. Kultur und Spiritualität des Orients waren Themen seiner Arbeiten.
art Information Nr. 4: 25 neue Beiträge für das Telefonbuch von Paris von Jochen Gerz in Zusammenarbeit mit anderen Künstlern
Jochen Gerz (*1940, Berlin) präsentiert in seinem Heft von anderen verfasste Einträge für das Telefonbuch von Paris. Damit möchte er die rein hermetische und unverständliche Funktion des herkömmlichen Telefonbuchs aufheben und verdeutlicht ein neues Prinzip kulturellen Bewusstseins.
Gerz zählt zu den international bekanntesten deutschen Künstlern der Gegenwart. Seine Arbeiten erstrecken sich von Konzeptkunst, Fotografie, Video und Künstlerbuch, bis hin zur Skulptur bzw. Plastik (z.B. das „Hamburger Mahnmal gegen Rassismus") und Performance.
art Information Nr. 5: Some work von Joel Aaron Glassman
Joel Aaron Glassman (*1946, New York) beschäftigt sich in seinen Fotoarbeiten mit dem Alltäglichem, das uns alle umgibt. Damit möchte er ein Bewusstsein dafür erzeugen, dass das Leben selbst Kunst ist und diese jedem gehört. Glassman ist im Rahmen seiner Lehrtätigkeit am Armory Center for the Arts in Passadena, Fotograf, Videokünstler und Autor. Sein Fokus liegt mittlerweile insbesondere auf großformatigen Nahaufnahmen der Natur und Videos mit surrealistischen Stillleben.
art Information Nr. 6: Message personnels von Jean Le Gac
Ein altes auf dem Feld gefundenes Schrottauto wird als Informationszentrale umfunktioniert, indem Jean Le Gac ("1936, Tamaris) gemeinsam mit Kindern viele Dosentelefone durch die Landschaft legt.
Le Gac vervollständigt sein Werk als Maler, Konzeptkünstler von Mixed Media bzw. fiktiven Dokumentationen und als Fotograf.
art Information Nr. 7: Wolfshunde von Sarkis Zabunyan
Sarkis Zabunyan (*1938, Istanbul) malte auf der „Pont Des Arts" Wolfshunde aufs Brückenpflaster. Auf diese stellte er Tonbandgeräte, um einerseits ein imitiertes Hundebeilen abzuspielen und andererseits gleichzeitig die Szenerie aufzunehmen. Dadurch wollte er Verunsicherung bei den Passanten erzeugen. Sarkis ist neben seinem Lehrauftrag an der Ecole des Arts Decoratifs in Straßburg, Konzept- und Installationskünstler. Er konzentriert sich dabei vor allem auf Installationen mit Tonintegrationen und Plastiken aus Tonbändern, mit Themen der Zeit, des Gefühls und der Erinnerung.
media news Nr. 1: Kraftwerk von Florian Schneider-Esleben
Das Heft beinhaltet Dokumentationen der 1970 in Düsseldorf gegründeten deutschen Band „Kraftwerk" (Florian Schneider-Esleben, Eberhard Kranemann, Hou-schäng Nejadepour und Karl Weiss) über neu entstandenen Musikelementen, die sie als Pioniere der elektronischen Musik entwickelt haben.
media news Nr. 2: RE'UN'ANZ von Landfried Schröpfer und Hans-Jürgen Bulkowski
Landfried Schröpfer ("1940, Erfurt) und Hans-Jürgen Bulkowski ("1938, Berlin) entwickelten ein offenes Zeichensystem, das sich einerseits mit „Flussdiagrammen" und andererseits mit der „Dingsprache", der Aussage von Alltagsgegenständen in Form von Objekt-Installationen auseinandersetzt. Schröpfer ist Schriftsteller und Diplom-Physiker. Bulkowski verfasst Kurzprosa, Lyrik, Hörspiele, Texthappenings (Fluxus) und Textmontagen. Unter anderem war er Herausgeber der Zeitschrift „PRO, Blätter für neue Literatur" und führt die Leitung der Literaturwerkstatt Düsseldorf. Gleichzeitig geht er seinem Lehrauftrag »Literatur« und »Medienkunde« an der Fachhochschule Düsseldorf nach.
media news Nr. 3 : EIAG von Timm Schröder und Christine Franz
Die Künstlergruppe EIAG dokumentiert in dem Heft ein Aktivierungs-, Sensitivierungs- und Kommunikationsprogramm mit dem Ziel persönlicher und zwischenmenschlicher Erfahrungen. Den Mittelpunkt dieses Geschehens bilden ein vollkommen verdunkelter Tastraum sowie Aktionen in der Öffentlichkeit. Timm (Schröder) EIAG (*1945, Hamburg) ist bekannt durch seine Installationen, Events und Aktionen. Er konfrontiert und provoziert mit ästhetischen Prozessen in der Öffentlichkeit, z.B. dem Einwickeln von Häusern.
media news Nr. 4: Effeschiaden von Fritz Schwegler
Fritz Schweglers (* 1935, Breech) Effeschiaden sind Konzepte und Zeichnungen von frei erfundenen Gegenständen, die er „Stücke zum Glücke für Jedermann" nennt. Diese wurden auf Vorträgen präsentiert und durch Flöte und mittelalterlichen Gesang begleitet.
Schwegler war Professur an der Kunstakademie Düsseldorf und wurde als Maler, Zeichner, Bildhauer, Schriftsteller und Musiker bekannt. Er stellt in seinen Arbeiten durch genaueste Beobachtungen und Untersuchungen des Alltäglichen, die Begrifflichkeit der Dinge in Frage.
Dietmar Kirves - Kurzbiographie
1941 geboren in Fürstenwalde/Spree.
1946 Flucht nach Westdeutschland.
1962-68 Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Kassel (Malerei, Graphik, Philosophie, Soziologie und Politik). Verschiedene Reisen.
1964 Publikums- und Pressebetreuung während der documenta III, Kassel.
1969-70 Idee, Realisation und Organisation eines ständigen Kunstmarktes (Kunst für Jedermann) im Warenhaus. Multiple Markt im Kaufhof am Wehrhahn in Düsseldorf mit 132 Künstlern aus der gegenwärtigen Kunstszene vom 4. Dezember 1969 bis 15. Juni 1970 (Plott: "Haushaltwaren, Möbel, Bastelzubehör, Modewaren, Schmuck, Spielsachen, Delikatessen, Geschenkartikel ... Waren zum Appetitanregen, zum Aussuchen, zum Einrichten und Gebrauchen - passen dazu nicht auch Multiples und Druckgraphik?... Wenn der Kaufhof ein Treffpunkt wird wie früher die Ladenstraße, die Passage, dann kann so etwas wie ein Kommunikationszentrum entstehen, in dem weder blind verkauft noch unkritisch gekauft wird. Kritikfähigkeit aber, die durch Kunst entwickelt werden kann, wäre Ausdruck einer mündiger werdenden Gesellschaft.")
1969-74 Mixed Media-Arbeiten mit Filmen, Soundeffekten und Raumveränderungen. Arbeit als Art-Director in Düsseldorfer Werbeagenturen. Weitere Reisen.
1970 Gründung der mediacontact-agency in Düsseldorf mit dem Zweck, die kulturellen Beziehungen zur Öffentlichkeit durch kreative Zusammenarbeit zwischen Künstlern und Involvierten zu fordern und dem Ziel, die gesellschaftliche Relevanz von Kunstinformation und Mediaforschung zu intensivieren.
1974 Verabschiedung von der herkömmlichen Kunstszene, Übersiedlung in die Mauerstadt West-Berlin und Gründung einer Familie (2 Kinder).
1978 Entdeckung der NOlart-Bewegung.
1978-88 Korrektor in einem wissenschaftlichen Verlag. Weitere Reisen. Zusammenstellung der ersten NO!art-Anthologie.
1982-88 Herausgabe der Heftreihe „Veränderungen für Alle" in der plusminus-presse, Diedenbach. (Texte, Fotografien und Malerei waren in den Heften enthalten)
1988-92 Sammlung von Weggeworfenem in Berlin-Mitte und Umgebung während des Untergangs der DDR.
1994 NO!show-Initiierung bei der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK) in Berlin mit desaströser Basisdemokratie. Motorradreise zum Nordkap zur radioaktiven Strahlenvermessung (Tschernobyl).
1997 Ausstellungskonzept für eine Boris Lurie Werkshow in der Gedenkstätte Weimar-Buchenwald.
1999 Beginn mit NO!art-Arbeiten im Internet.
2000 Reise nach New York zur Sichtung und Registrierung des NO!art-Archivs bei Boris Lurie. (Dieser begründete 1959 die New Yorker NO!art-Bewegung mit. Seit 1978 arbeitete er zusammen mit Dietmar Kirves, um die NO!art-Bewegung fortzusetzen. Gemeinsam realisierten sie die erste Notart-Anthologie und das „NO!art in Buchenwald"-Buch sowie mehrere Ausstellungen.)
2001 Vorbereitung der NO!art-Werke in New York für die Ausstellung NO!art and the Aesthetics of Doom im Block Museum in Evanston bei Chicago.
2003 Kurator der ersten NO!-ON-Show in Berlin mit Künstlern aus Berlin, Paris und New York
Möchten Sie mehr über Dietmar Kirves aktuelles künstlerisches und kulturelles Schaffen erfahren, besuchen Sie seine Webseiten: ►no-art und ►mindshots
Die Gliederung der Ausstellung orientiert sich an den grauen Titelblättern der insgesamt 11 Ausgaben der beiden Heftreihen. Um die Titelblätter herum sind einzelne Heftseiten und Originaldokumente präsentiert. Sie enthalten alle für eine Beschriftung relevanten Informationen, so dass wir auf diese verzichtet haben.