MULTIPLE MARKT
Kunst für jeden im Warenhaus
Idee, Organisation, Realisation, Gestaltung Dietmar Kirves
Katalog | 20,7 x 21,3 cm | 24 Seiten | 29 Abb. | 5000 Exemplare | Düsseldorf 1969
Kaufhof am Wehrhahn | Düsseldorf | 4. Dezember 1969 bis 15. Juni 1970
Beteiligte Künstler: Albrecht + Alt + Altorjay + Alviani + Barbieri + Bartels + Bayrle + Bechthold + Beuys + Bill + Böhm + Bonalumi + Bonato + Bonies + Brecht + Brüning + Bubenik + Buchholz + Burghart + Bussmann + Buthe + Calderara + Castro + Christo + Claus + Damke + Delahaut + Dematio + Dick + Dietrich + Distel + Dobes + Dohr + Dressler + Dunkelgod + Eucker + Filliou + Fischer + Fongi + Fritz + Fruhtrunk + Gaul + Geiger + Genkinger + Glasmacher + Glattfelder + Graeser + Groh + Gulik + Gutbub + Hangen + Hansen + Haubensack + Heibel + Henry + Hilgemann + Hingstmartin + Höke + Higgins + Hundertwasser + Immendorf + Jäger + Jones + Kämmer + Kämpf-Jansen + Kallhardt + Kamphues + Klasen + Koehler + Köpke + Kolar + Kramer + Krüll + Kriwett + Kubicek + Kuhaupt + Kuhnert + Laute + Leissler + Löbach + Lohse + Lueg + Luque + Luther + Malich + Mansouroff + Megert + Mitzka + Morandini + Müller-Domnik + Nachi + Neuenhausen + Neusel + Nöfer + Paeffgen + Page + Pfahler + Piene + Polke + Quinte + Rancillac + Reick + Reisse + Reusch + Richter + Rinke + Rivers + Roemer + Rot + Schultze + Spoerri + Staeck + Sykora + Thomkins + Tilson + Tollmann + Uecker + Ulrichs + Urbasek + Vautier + Vaux + Verelst + Vostell + Warmuth + Weseler + Wilding + Williams + Wintersperger + Wolfram + Wortelkamp + Zappettini.
VORWORT VON JÜRGEN HARTEN
Direktor der Kunsthalle Düsseldorf
Haushaltwaren, Möbel, Bastelzubehör, Modewaren, Schmuck, Spielsachen, Delikatessen, Geschenkartikel ... Waren zum Appetitanregen, zum Aussuchen, zum Einrichten und Gebrauchen - passen dazu nicht auch Multiples und Druckgraphik? Nachgemachte und vervielfältigte Kunst hat es im Warenhaus ja schon immer gegeben, alltägliche Bilder der Sehnsucht jenseits des Alltags. Aber immerhin haben bedeutende Unternehmen wie Tietz schon in den 20er Jahren mit großem Erfolg moderne Kunst im Warenhaus gezeigt.
Die ersten vergleichbaren Versuche im Kaufhof waren künstlerisch überzeugend. Die Eröffnungsausstellung im Restaurant und der Multiple-Markt in der Abteilung Bildung und Unterhaltung haben den Leuten nicht künstlerische Richtungen vorgeführt, sondern Möglichkeiten aufgezeigt. Neben namhaften Künstlern des In- und Auslandes, deren Arbeiten auch weiteren Kreisen schon auf großen Kunstausstellungen oder durch das Fernsehen bekannt geworden sind, waren viele jüngere deutsche Künstler und junge Editionen vertreten. Hat der Kaufhof damit die Rolle der Galerien oder der Kunstvereine übernommen? Wohl kaum.
Die Kunstabteilung sollte einfach dazugehören wie der Grillroom: als Teil eines sich selbst ausstellenden Marktes. Läuft nicht mancher Tourist in Paris, Moskau oder Zürich nur aus Spaß und Neugier erst einmal ins Kaufhaus? Moderne Kunst wendet sich an ein Publikum, das sich daran gewöhnt hat, auf Rolltreppen von Geschoss zu Geschoss zu fahren und variable Innenräume zu benutzen. Wenn der Kaufhof ein Treffpunkt wird wie früher die Ladenstraße, die Passage, dann kann so etwas wie ein Kommunikationszentrum entstehen, in dem weder blind verkauft noch unkritisch gekauft wird. Kritikfähigkeit aber, die durch Kunst entwickelt werden kann, wäre Ausdruck einer mündiger werdenden Gesellschaft. Wen die gemalte Rivieraidylle langweilt, der kauft vielleicht lieber einen Farbfilm oder einen Tintenfisch — und hat immer noch Geld für Graphik übrig. Schließlich hängen in den Räumen des Bundeswirtschaftsministeriums Originalgraphiken moderner Künstler.
PRESSENOTIZ
EINMAL HERING IM GLAS
Kunst als Konsumgut - Multiple-Ausstellung im Kaufhof
Rezension von Yvonne Friedrichs
in: RHEINISCHE POST, Düsseldorf vom 6. Dezember 1969
Multiples - in Serien hergestellte Kunstobjekte - sind für ein breit gestreutes Publikum bestimmt. Während die Preise für originale Werke der modernen Kunst in schwindelnde Höhe klettern, wird damit auch dem mit „normalem" Geldbeutel ausgestatteten Kunstliebhaber die Möglichkeit geboten, im künstlerischen Schmuck seines Heimes up to date zu sein.
Der Gedanke, diese „ars multiplicata" nicht nur in Galerien zu zeigen, sondern sie als „Konsumgut" im Warenhaus einem größeren Publikum schmackhaft zu machen, lag also nahe. Der Kaufhof am Wehrhahn gibt jetzt - in diesem Rahme wohl erstmals in Düsseldorf - in einer Sonderausstellung einen breiten Überblick über den bestehenden Multiple-Markt. Gezeigt werden rund 220 Objekte und Graphiken von 126 Künstlern aus 30 Editionen. Wie weit dabei allerdings - streng genommen - die zahlreichen Graphiken, vor allem Serigraphien, noch unter die „Multiples" zu rechnen sind, bleibt fraglich. Werbeleiter Dietmar Kirves, der selbst ausübender Künstler und geprüfter Kunstpädagoge ist (er hat unter anderem auch Happenings veranstaltet), stellte die Ausstellung mit viel Elan und Mut zum Experiment zusammen. Es sollte keine dekorative, sondern informative Schau sein, in der neben dem Qualitätsvollen auch der Gag zu Wort kommt. Die Preise bewegen sich zwischen drei Mark (für eine Serigraphie von Ulrichs) oder einem „Originalpostkartensatz" von Wewerka für vier Mark bis zu einer künstlerisch bedeutenden „Portfolio mit sieben Blättern" von D'Arcangelo zu 3600 Mark. Wer Sinn für Humor hat, kann sich für acht Mark eine originale „Bratwurst mit Henkel" von Page, ein zum Kunstwerk deklariertes Glas mit Heringen von Spoerri, ein „Intuitions"-Objekt von Beuys oder ein nagelneues Herrenoberhemd mit der Banderole „Zwangsjacke" von Bayrle erwerben. Für eine Kraterlandschaft aus gebackenem Kuchen von Dieter Rot muss der Käufer die Kleinigkeit von 400 Mark auf den Tisch blättern.
Vostell bietet zwei „Prager Brote" mit eingelegtem Thermometer an und Christo eine verpackte Miniaturausgabe des Kölner Doms. Ein überdimensionaler „Doppelfinger" im Plexiglaskasten von Wintersberger kostet 640 Mark, während ein Hammerbrett von Uecker schon für acht Mark zu haben ist.
Das reiche Graphik-Angebot reicht von Larry Rivers' „Dutch Masters", Indianas „Zahlen"-Portfolio und Warhols „Marylin" bis zu Blättern von Kolar, Glasmacher, Geiger, Luque oder Alvermann. Auch Spiegelreliefs von Luther, ein Umleitungsschild von Brüning, Op-Art-Reliefs von Wilding oder ein „button"-Schild von Kriwet kann man erstehen. Interessant ist, dass durch das große, vielseitige Angebot auch das sehr unterschiedliche Preisniveau der verschiedenen Verlage deutlich wird. So differieren die Preise für Kolar-Graphiken beispielsweise zwischen sechs und 180 Mark.

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