[1] ROLF RECKNAGEL: BEITRÄGE ZUR BIOGRAFIE VON B. TRAVEN mit zahlreichen Fotos, Dokumenten und Textauszügen, 17x10 cm, 408 Seiten, Reclams Universal-Bibliothek Band 269, 1. Auflage, Leipzig 1966, 4,50 M. — Mittels Dokumenten und Werkinterpretationen versucht hier der Autor dem "weltbekannten Unbekannten" Traven auf die Lebensspur zu kommen. Beim Vorwort ein Traven-Zitat: "Wenn man einen Namen hat, der sich reichlich oft in Polizeiberichten, Gerichtsurteilen und Gefängnislisten vorfindet, so tut man, schon aus Selbsterhaltungstrieb heraus, recht gut, ihn abzuschütteln und nach einem anderen zu suchen, der weniger bekannt und verbraucht ist."
[2] ERICH MARIA REMARQUE: DIE NACHT VON LISSABON, Roman, Ganzleinen mit Schutzumschlag, 19x12 cm, 304 Seiten, 2. Auflage, Aufbau-Verlag Berlin und Weimar 1979, 7,50 M. — Roman eines Emigranten auf der Flucht vor Gestapo und Konzentrationslagern in den 40er Jahren. Das Buch macht einen ungelesenen Eindruck.
[3] JOHN REED: ZEHN TAGE DIE DIE WELT ERSCHÜTTERTEN mit einem Vorwort von W. I. Lenin und N. K. Krupskaja. Mit einem Bild und sechs Faksimiles. Im Anhang Dokumente und Materialien aus den Oktobertagen des Jahres 1917. Ganzleinen mit Schutzumschlag. Gestaltung von John Heartfield. 20x13 cm. 520 Seiten. 15. Auflage. Dietz Verlag, Berlin 1977. DDR 7,50 M. — Das erste Buch, das eine wahrheitsgetreue Darstellung vom Kampf und Sieg der Bolschewiki im Oktober 1917 gab, war diese Reportage des jungen amerikanischen Journalisten John Reed. Ebenfalls vom Wegwerfer nicht gelesen worden. Inliegend eine Karte: "Für Ihre aktive Mitarbeit an der "Roten Revue", die anläßlich des 60. Jahrestages der Großen Sozialistischen Oktoberrevolution im Palast der Republik mehrmals aufgeführt wurde, möchte ich ihnen meinen herzlichsten Dank aussprechen. Berlin, im November 1977. Regisseur, (unleserliche Unterschrift)".
[4] HEINZ KNOBLOCH: MAN SIEHT SICH UM UND FRAGT. Ganzleinen mit Schutzumschlag. 20x13 cm. 284 Seiten. 2. Auflage 1975. Verlag der Nation, Berlin 1973. Gesamtherstellung: Grafischer Großbetrieb Völkerfreundschaft Dresden. EVP 7,50 M. — Ein heiteres Buch mit blendenden Einfällen, kritischen Ausfällen und unvorhergesehenen Zwischenfällen zu der ernsten und lebensentscheidenden Frage: Kennen wir unseren Mitmenschen.
[5] QUITTUNGSBUCH FÜR NUTZUNGSENTGELT. Heftchen mit acht Seiten im Format 15x10 cm. Kenn-Nummer: Ag 311/581/69/DDR V/19/18 (50224). — Ein Mietquittungsbuch der Arbeiterwohnungsbaugenossenschaft "Junge Garde", das in dem Buch von Knobloch "Man sieht sich um und fragt" lag. Hier wird vom 15.1.71 bis 5.1.76 dem Mitglied Eßbach die monatliche Miete über 91,70M jeweils um den Monatsanfang von einem Herrn oder Frau Untermann per Handschrift die Einzahlung bestätigt.
[6] ARTHUR D. KAHN: OFFIZIERE, KARDINALE UND KONZERNE. Ganzleinen. 276 vergilbte Seiten. 20x12 cm. Verlagsangaben nicht möglich, da Titelseiten herausgerissen. — Aus dem Vorwort ist zu entnehmen, daß das Buch im Jahre 1963 gedruckt wurde. Äußerst interessanter Report darüber, wie die alten Nazis mit Hilfe der Kirche nach 45 in ihre Ämter zurückkehren. Die überlebenden KZ-Häftlinge werden mit Geld zur Ruhe gestellt und von der neuen Entwicklung ausgeschlossen.
[7] DIE MEISTERBALLADEN. Ein Führer zur Freude von Börries, Freiherrn von Münchhausen. Ganzleinen mit Schutzumschlag. 18x12 cm mit 272 Seiten. Verbesserte und stark vermehrte Auflage von 1940. Deutsche Verlagsanstalt. Stuttgart. Berlin. — Eigenartige Interpretationen verschiedener Balladen u.a. von Bürger, Fontane, Goethe, Droste, Schiller etc. mit leicht kriegerischem Einschlag. Bei Schiller bemängelt er die Verherrlichung des Straßenraubes und der Notzucht.
[8] ANNA SEGHERS: GLAUBEN AN IRDISCHES. Essays aus vier Jahrzehnten. Paperback. 16,5x10,5 cm mit 400 Seiten. Reclams Universal-Bibliothek Band 469. 1. Auflage. Leipzig 1969. 2,50 M. — Die Herausgeberin Christa Wolf hat hier eine umfassende Sammlung von Seghersschen Gedanken über Kunst und Literatur zusammengestellt, so u.a. Essays über Lessing, Büchner, Tolstoi, Dostojewski, über Freiheit und Gebundenheit der Kunst, über Macht und Verantwortung, über kulturelle Brücken zu anderen Völkern.
[9] RUDOLF GRABS: ALBERT SCHWEITZER. Ein Leben im Dienste der sittlichen Tat. Halbleinen. 21x15 cm, 72 Seiten. Im Frontispiz ein Fotoportrait von A. Schweitzer mit einer Widmung für den Autor. Evangelische Verlagsanstalt, Berlin 1950. — Der Verfasser läßt es sich hier angelegen sein, dem Leser die verpflichtende Jesusliebe des Mannes von Lambarene vor Augen zu führen. Darin interessante Berichte über dunkle Kulte und die Genossenschaft der "Leopardenmenschen", die unter dem Zwang steht, ihren neuen Mitgliedern einen Zaubertrank aus dem Gehirn ihrer menschlichen Opfer zuzubereiten. Auf Grund des Trinkens wird der Beitritt zur Genossenschaft vollzogen. Überfall und Mord, sogar in der nahen Verwandtschaft, werden im Sinne der Vereinigung des Ordens anbefohlen. Sie binden sich, Leoparden gleich, Krallen an Hände und Füße und reißen ihren Opfern die Halsschlagader auf. Jesus am Kreuz mit der Liebe des Christentums.
[10] DEUTSCHE SCHWÄNKE. Ausgewählt und erzählt von Friedrich Sieber. Kartoniert. 18x12 cm. 72 Seiten mit fünf Abbildungen. Mitteldeutscher Verlag. Halle (Saale) 1953. 2,50 M. — Übersetzungen von Bauernkriegstexten aus dem 16. Jhdt. ins Hochdeutsche und Plattdeutsche über Narren, Landsknechte, Pfaffen, Richter, Junker, Amtsleute, Bauern, Knechte, Tagelöhner, Handwerker, Mann und Frau sowie von allerlei Leuten. Schöner Anfangstext über die Narren, den ich hierselbst unbedingt in ungekürzter Fassung wiedergeben muß: "Als es noch Soldaten und einen Führer gab, da war ein Krieg, und die Soldaten zogen mit Gewehren und Kanonen aus, den Feind zu schlagen. Da stand am Wege ein armer Narr, der sah die Heeresmacht und hörte ihr Getöse. Und er fragte, was das für ein Treiben sei. "Wir ziehen in den Krieg", sagten die Soldaten. Da wollte der Einfältige wissen, was man im Kriege tue. 'Wir verbrennen Städte und Dörfer, verderben Wein und Korn und schlagen einander tot', antworteten die Soldaten. Da wollte der Narr wissen warum. 'Daß man Frieden machen kann', lachte da der Soldat. 'Wenn ich euer Herr wäre', sagte der Narr, 'ich würde vor dem Schaden den Frieden machen.'
[11] BERTOLT BRECHT: DREIGROSCHENROMAN. Ganzleinen mit Schutzumschlag. Mit einer Einführung von Richard Christ und Zeichnungen von Bernd Heisig. 22x13 cm mit 448 Seiten in Dünndruck. Verlag Neues Leben. Berlin 1978. DDR 12,- M. — BeBes Romanfassung der Bettleroper mit einem lustigen Start aus einer irischen Ballade von Herrn Aigihns Untergang: "Und er nahm, was sie gaben, denn hart ist die Not, doch er sprach (denn er war kein Tor): "Warum gebt ihr mir Obdach? Warum gebt ihr mir Brot? Weh! Was habt ihr mit mir vor?!"
[12] HOTELFÜHRER DEUTSCHE DEMOKRATISCHE REPUBLIK. Hrg. Rationalisierungs- und Forschungszentrum Gaststätten-Hotel-Gemeinschaftsverpflegung im Auftrage des Ministeriums für Handel und Versorgung. Taschenbuch. 20x14 cm. 112 Seiten. Verlag die Wirtschaft. Berlin 1986. 00280. — Enthält übersichtlich mit Piktogrammen alle Hotels der DDR. In der Einleitung die Erklärung: "Die Kategorie eines Hotels kann der Gast an einer Urkunde des zuständigen örtlichen Staatsorgans erkennen, die an gut sichtbarer Stelle am Hotelempfang ausgestellt sein muß." Jedoch sind nur 20 % der Hotels mit Sternen versehen. Demnach gereicht der Rest nicht den Minimalanforderungen. Im Rückendeckel interessante Werbung für einen Ratgeber "Rechte beim Reisen". Darin informieren Autoren aus sieben Ländern übersichtlich und leicht verständlich über typische Rechtsfragen und rechtlich richtiges Verhalten bei Reisen im Inland und ins befreundete Ausland. "Sie erhalten Auskunft über Beförderung, Beherbergung, Bewirtung, Kauf im Einzelhandel, Dienstleistungen, Reparaturen, Versicherungen und vieles mehr."
[13] RUDOLF HAGELSTANGE: VENEZIANISCHES CREDO. 35 Sonette. Broschur. 20x12 cm. 44 Seiten. 21. bis 25. Tausend. Insel-Verlag. Leipzig 1948. — Die Sonette entstanden 1944 in Venedig, Breganze und Verona. Sie erschienen erstmals im April 1945 in 155 Exemplaren gedruckt auf einer Handpresse in Verona.
[14] ARAGON: DIE KOMMUNISTEN. Roman. I. Band. Februar bis September 1939. 288 Seiten. 2. Auflage 1956. II. Band. September bis November 1939. 416 Seiten. 1. Auflage 1953. Jeweils Ganzleinen mit Schutzumschlag. 21x15 cm. Dietz Verlag. Berlin. Ohne Preisangabe. — Mit diesen beiden Bänden beginnt der weltbekannte Dichter, Schriftsteller und Publizist die wechselvolle Geschichte der französischen Nation von 1939 bis 1945 in einer bunten Reihe von Gestalten aus allen Kreisen seines Volkes lebendig zu machen als Kämpfer für Frieden und Fortschritt, heißt es im Klappentext. Das Werk soll wahrscheinlich zwölf Bände umfassen. Der Dietz Verlag prognostiziert die weiteren Bände in regelmäßiger Folge. Beide Bände wie neu und ungelesen.
[15] JOSEF SELLMAIR: WEISHEIT UNTERWEGS. Worte großer Meister. Halbleinen. 19x11 cm. 264 Seiten. 3. Auflage. Gregorius Verlag. Regensburg 1948. — Die ganze Welt der Weisen wird hier in Kapiteln zutage getragen von Alfieri über Morgenstern bis Walther von der Vogelweide mit merkwürdigen Überschriften wie "Rätsel des menschlichen Lebens, Ringen und Reifen, Gesetz und Freiheit, Gewissen und Charakter, Wahrheit und Lüge, Einsam und Gemeinsam, Heimat und Ehre, Trauer und Freude, Zeit und Ewigkeit, Mensch und Gott" und so weiter. Auf dem Vorsatzblatt die handschriftliche Widmung "Meinem lieben IIschen zur Erinnerung an Baden-Baden im Juli 1955". Stark zerlesenes, vergilbtes Exemplar.
[16] LEXIKON DER GROSSEN SOZIALISTISCHEN OKTOBERREVOLUTION. Hrsg. der deutschen Ausgabe: Maria Anders und Heinz Göschel. Ganzleinen mit Schutzumschlag. 24x17 cm. 352 Seiten. 1. Auflage. Übersetzung der russischen Originalausgabe von 1968. VEB Bibliographisches Institut. Leipzig 1976. DDR 18,- M. — Alle Abbildungen in diesem Lexikon sind erkennbar retuschiert. Trotzki findet als Schöpfer der Roten Armee keine Erwähnung. Exemplar wie neu. Anstreichungen lediglich im Stichwort "Große Sozialistische Oktoberrevolution".
POSTSCRIPTUM
Heute fand ich in meinem Briefkasten eine Zeitung namens "die andere" vor. Darin entdeckte ich zu meinem Bücherfund den bezeichnenden Artikel "Bücher auf dem Müll. Eine Kulturnation gibt sich die Ehre." Zitierenderweise gebe ich dem geneigten Leser hier einige Passagen zum Besten der Realität:
"War Johann Wolfgang von Goethe bei der Stasi? Eine heikle Frage, denn die Akten sind nicht mehr auffindbar. Das gleiche gilt für Schiller, Hegel, Tolstoi und einige andere mehr. Doch da sie von DDR-Verlagen offiziell verlegt wurden, kann man ja nie wissen. Der gewendete Buchhandel jedenfalls schritt zur Tat und "entsorgte" die Altlasten auf einer Müllhalde. Bücher, deren Menge nicht mehr nach Exemplaren oder Paletten gezählt wird, sondern nach Tonnen.
Es ist der 1. Mai 1991. Während in Berlin mäßig demonstriert wird, steigen in Jena fünfzehn Studenten in ihre Autos; Kofferräume voller Hacken, Spaten, Stiefel.
Sie fahren zu einer Mülldeponie bei Hainichen in der Nähe von Espenhain. Dort angekommen, waten sie durch knöcheltiefen Schlamm und faulige Kartoffeln, über Bauschutt, Sand, Autowracks. Und unter alldem finden sie den Bücherberg. Fünfzigtausend Tonnen Bücher sollen hier liegen. Mit Schaufeln räumen sie den Unrat beiseite, graben mit den Händen nach und ziehen Bücher hervor - Marx und Lenin (natürlich), aber dann auch Shakespeare, Trotzki, Goethe, Hegel, Luxemburg, Heine, Königsdorf, das begehrte Wyssotzki-Buch, später Comics und Kinderbücher, Fachliteratur für Psychologen und Sprachwissenschaftler, vermischt mit SED-Schriften, den Reden Honeckers, stapelweise Landkarten vom Nicht-mehr-Grenzgebiet. ... Die meisten Bücher sind bereits stark angegriffen und aufgequollen ... Der Axel-Cäsar-Springer-Verlag hat eine von sechs nahegelegenen Lagerhallen des LKG gekauft unter der Bedingung, daß sie leer ist. Die Bücher, die darin waren, sind dann der SERO GmbH Leipzig angeboten worden, die über Wochen vergeblich versuchte, die 50 000 Tonnen "Altpapier" an Papiermühlen zu verkaufen, vergebens. Dann wurde die Verkippung beschlossen ... Vor etwa einem Monat begann der Abtransport. Die durchs Dorf Hainichen rollenden LKWs fielen den Bewohnern auf, Gerüchte kamen in Umlauf, erste Nachforschungen wurden angestellt. In den letzten Aprilwochen versuchte der große unfaßbare Irgendwer, die Bücher mit Abfall, Sand und jenen faulenden Kartoffeln zuzudecken. ... Die Studenten können nicht mehr tun, als die Oberfläche aufzuscharren und zu retten, was dort zu retten ist. Am Tag danach bauen sie im Foyer des Jenaer Universitätsturmes eine Ausstellung über die Ausgrabung auf, stapeln die mitgebrachten Bücher - so feucht, wie sie noch immer sind, und so modrig, wie sie noch immer riechen - auf Tische. ... Betroffenheit auf Gesichtern; minutenlanges, schweigendes Kopfschütteln; Ringen nach Worten; versunkenes Stehen vor den verblichenen Bänden. ..."